VON SARAH LÜDEMANN
Such is the anti-oedipal strategy: if man is connected to the machines of the universe, if he is in tune with his desires, if he is “anchored”, he ceases to worry about the fitness of things, about the behaviour of his fellow-men. (Miller, Sexus)
Seht, ich lehre euch den Übermenschen! Der Übermensch ist der Sinn der Erde. […] Ich beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu und glaubt Denen nicht, welche euch von überirdischen Hoffnungen reden! (Nietzsche, Also sprach Zarathustra)
Our religious beliefs separate heaven and earth, this life and the afterlife, and our philosophical thinking cuts apart mind and matter, all of which forces a chasm between the visible and the invisible. How to bridge the chasm? What means are there for transporting the unseen into the seen? (The Soul’s Code, James Hillman)
+ + Ersinnen einer radikalen Evolution des Seins, die sich entfernt von Oberflächenstrukturen, Ablenkungsmanövern und dem perfiden Imperialismus der Ratio. Homo sapiens, sapiens beati spiritualis…
+ + Proklamation eines neuen Denkfeldes, das über das reine Denken hinausgeht, weil es mit der EMOTION beginnt, der REAKTION DES KÖRPERS, dem “Eindruck in den Körper (gedanklich ähnlich dem “Apparat” in Kafkas Strafkolonie, wenn auch auf keinste Weise so mörderisch bestrafend!).
Fuck me in Disneyland ist nicht nur der DJ Name des Berliner Künstlers Adrian Brun, sondern fasst auch wunderbar die Idiotie der westlichen Supernova – Plastik – Masquerade zusammen, die sich eben auf das Oberhalb der glitzernden Oberfläche beschränkt. Die momentane Pop-Kultur der Image-Kultivierung ist schlussendlich ohne Inhalt und unser Daseins-Zustand sprichwörtlich auf Mikroebene Plastik durchzogen. Ich bin nicht die einzige hungrige Seele, die sich nach Nahrhafterem sehnt, und so träume ich von einer radikalen Evolution des Seins, jenseits von destruktivem Glücks-Ersatz. Dabei ist die Evolution des Einzelnen immer auch die Evolution des Kollektivs und so muss bei sich selber der Anfang gemacht werden.
Ich bewege mich grundsätzlich auf einem psychologischen Planfeld, einer hoch emotionalen und gleichzeitig analytischen Landschaft, die geprägt wird durch die Auseinandersetzung mit persönlichen Emotionen, griechischer Mythologie, Religion, Heidentum, Pornografie, Psychologie, deren Symbolik und den Macht-/Kontrollstrukturen innerhalb dieser.
Ich beobachte hier immer den Scheitelpunkt und die Spannung, die zwischen zwei vermeintlichen Polaritäten entsteht. Wie ein konstantes Tauziehen bei dem keiner gewinnt. Ein Pendel das schwingt, mal stärker, mal schwächer. Konstruktion/Zerstörung, Schönheit/Horror, Verführung/Ekel. Polaritäten, deren gewaltige Wechselwirkungen eben auch die Maschinerie des Lebensaufrecht erhalten.
Diese Spannung entlädt sich in einer Emotionalität, einer emotionalen Ambivalenz und nicht nur auf geistiger, sondern wenn sie extrem genug ist auch auf viszeraler Ebene. Salopp: ”Voll in den Eingeweiden getroffen!” Erzeugung bi-polarer Zerrissenheit; körperlich spüren lassen, BEVOR der Intellekt einsetzt.
Empfinden -> Emotion -> Intellekt.
Diese Reihenfolge erweitert unser Denkfeld über das reine Denken hinaus, bereichert sich aller Sinneseindrücke, arbeitet mit dem “Ein-Druck” in den Körper, der uns auf andere Art und Weise begreifen und lernen lässt.
Es geht dabei nicht um irgendeine Gefühlsduselei, sondern um ganz konkrete, essentielle, sinnliche Empfindungen, die andere Berührungspunkte in einem selber hervorrufen, und so auch zwischenmenschliche Begegnungspunkte eines ganz anderen Kalibers schaffen können, als das, was “der reine Intellekt” möglich macht. Um den Körper und damit den Geist an diesen Punkten zu öffnen, müssen extreme Emotionen hervorgerufen werden, bestmöglich zwei konträre gleichzeitig, so dass sich der Betrachter plötzlich auf einem Feld emotionaler Ambivalenz befindet. An diesem Ort ist nicht sicher, ob man umschmeichelt oder angegriffen wird, ist nicht klar, ob man gehen oder bleiben will.
KUNST kann diese extremen, ambivalenten Emotionen erzeugen. Das Hervorrufen ambivalenter, extremer Emotionen, verlangt dann weiter von dem Betrachter sich selbst in die Kunst, den Raum, die Zeit einzubringen. Emotional geladen, somit stärker anwesend; und wenn Künstler dann Arbeiten schaffen, denen der Betrachter nicht entkommen kann, dann können eben auch extreme emotionale Zustände in Menschen hervorgerufen werden, in denen diese SICH SELBST NICHT ENTKOMMEN können. Es sind besonders diese Zustände, die persönliche Evolution möglich machen, weil wir hier an unsere Grenzen gebracht werden und die Möglichkeit haben, über diese hinauszuwachsen. Nur an dieser Stelle kann eine persönliche Evolution stattfinden. Ich denke dabei auch an Nietzsches Übermensch, Buddhas Lehren, Kafkas “Strafkolonie” und Beuys Bemühungen künstlerische, gedankliche, soziale Änderungen möglich zu machen. Letztendlich proklamiere ich also keine Begegnung mit Kunst an sich oder mit Künstlern, sondern eine Begegnung des Betrachters mit sich selber durch die Kunst.