UNA DISCUSSIONE – EIN GESPRÄCH – RASGOVOR – ROZMOWA – A CONVERSATION…

VON ROLAND SCHEFFERSKI

Die Idee des Instituts für neues künstlerisches Denken geht aus dem Projekt Gespräch hervor, das ich zusammen mit anderen Künstlern in mehreren europäischen Städten realisiert habe.  Das Konzept dieses Projekts basierte auf der Idee der öffentlichen Talk Shows. Laut Vorgabe sind die Gespräche nicht nur mit verbalen Ausdrucksmitteln durchgeführt worden. Wichtig dabei war die Visualisierung des Kommunikationsprozesses. Das erste Gespräch – Una Disscusione – Rozmowa initiierte ich im Jahr 1998 in Mailand. Die Lage des jeweiligen Ortes bzw. die Nationalität der Teilnehmer bestimmte jedes Mal das jeweilige Thema und die Sprache, in der die Gespräche geführt wurden. Ihre Teilnehmer sind von mir auch dazu ermutigt worden, mit den Teilnehmern aus anderen Ländern in der eigenen Muttersprache zu kommunizieren. Das letzte Gespräch fand im November 2014 in der Berliner UP Gallery statt. Künstler, die sich an diesem Gespräch beteiligten waren u.a.: Elena Gavrisch, Christian Hasucha, Dominik Lejman, Sarah Lüdemann, Zofia Nierodzińska und Fried Rosenstock. (Hier geht es zur Fotodokumentation des Gesprächs.)

Der folgende Text beschreibt die Idee der Reihe „Gespräch“

Anstatt einer traditionellen Präsentation von Kunstwerken wurde die Zusammenkunft und Kommunikation an einem festgelegten Ort zum eigentlichen Gemeinschaftskunstwerk erklärt: die Künstler an einem Tisch, das Gespräch als künstlerischer Akt, das Gesamtkonzept als das eigentliche Werk, nicht das fertige Kunstwerk, sondern die geistigen Voraussetzungen und die intellektuellen Prozesse, die zu deren Erschaffung führen, stehen im Mittelpunkt dieses Kommunikationsprozesses. Dabei haben die Sprachfetzen und die Gesten der Sprecher an sich schon performativen Charakter, aber auch andere Ausdrucksformen sind willkommen.

Informationsaustausch und Vernetzung kommunikativer Systeme sind die Prämissen einer nachindustriellen Gesellschaft. Doch fehlt es an Orientierung und geistigem Austausch. An die Stelle der alten Ordnung scheinen einerseits ungebremster Pionierkapitalismus auf dem ökonomischen Sektor und Apathie, Utopielosigkeit und Pragmatismus auf der geistigen Ebene getreten zu sein. In einer Zeit geistig kultureller Desorientierung und dem weit verbreiteten Gefühl der Ohnmacht sind auch die Erwartungen an die Resultate eines intellektuellen Austausches eher mit Skepsis einzuschätzen.

Obwohl die Beteiligten meistens mehrsprachig sind, haben sie sich oft bewusst entschlossen, sich auch in ihrer Muttersprache zu artikulieren; nach dem Motto: wir alle sind Barbaren. Eine Kommunikationssituation, die zum Scheitern verurteilt scheint, aber aus dieser Vorgabe ihre potentielle Kraft schöpft. Ein Versuch die Schwierigkeit des gegenseitigen Verstehens zu thematisieren und zu verdeutlichen um Wege des Ausweges zu suchen. Das ist leicht gesagt.

Sprechen beruht auf Atmen, ein Recht und eine Pflicht, ein Vergnügen und ein Spiel. Allein schon die Stimme, die Intonation und die Sprachmaterie bilden Bedeutungsblöcke. Sprechen und Verstehen sind reziproke Prozesse. Weder das Sprechen als Kunst, noch das Sprechen über Kunst kann die Präsenz von Kunst ersetzen. Die Anwesenheit der Kunst darf aber nicht nur auf eine, durch das Sprechen begleitete, traditionelle Präsentation von materiellen Kunstwerken beschränkt werden.

Nur wichtig ist dabei die Wahrung eines realen Ortes als Treffpunkt, und die physische Präsenz der Teilnehmer, die den Sinn globaler Kommunikation, die technisch längst bewerkstelligt ist und in Realzeit vor allem im wirtschaftlichen Sektor funktioniert, relativiert. Es soll deutlich werden, dass der gegenseitige Verständnisprozess nicht eine Frage medialer Technologie ist, sondern dass menschliches Zusammentreffen und der Versuch dialektischer Annäherung, Grundlage für eine gemeinsame Zukunft sind.